Musiker der Band Dream Theater vor einer gelben Tapete im Jahr 1993
Arafat hört Musik

Dream Theater – Images and Words

Im Jahr 1992 veröffentlichte die US-amerikanische Progressive-Metal-Band Dream Theater ihr zweites offizielles Album Images and Words* und damit den Nachfolger ihres legendären Albums When Day and Dream unite*. Mit ihrem damaligen Erstlingswerk hatten die fünf Jungs im Jahr 1989 einen nicht unwesentlichen Meilenstein in der Musikwelt gesetzt, wie in Fachkreisen trotz des damaligen kommerziellen Misserfolgs immer wieder zu hören war und auch heute noch ist. Nun war es an der Zeit, daran anzuknüpfen. Die Frage war natürlich, ob die fünf Ausnahmemusiker den entsprechend hohen Erwartungshaltungen ihrer Fans und der Kritiker wohl gerecht werden konnten? Was erwartete die Leute, die das Album auf ihren Plattenteller legten, sich es auf ihrem Lieblingsplatz gemütlich machten und andächtig lauschten?

Um es vorwegzunehmen: Sehr viel Gutes!

Sein oder Nichtsein, das war hier die Frage

Dabei war es zeitweise nicht ganz sicher, ob das Album überhaupt in dieser Form erscheinen würde. Das Problem war die Trennung vom damaligen Sänger Charlie Dominici, da es musikalische Differenzen gab. Dadurch stand längere Zeit die Frage im Raum, wer ihn ersetzen sollte. Diese Frage zog sich sogar so lange hin, dass die Band irgendwann darüber nachdachte, ein Instrumentalalbum herauszubringen. Quasi „im letzten Moment“ fanden sie aber mit dem Kanadier James LaBrie ihren neuen Sänger, der mit seiner charakteristischen Stimme auf Images and Words sein Debüt bei Dream Theater gab.

Cover des Albums Images and Words von der amerikanischen Rock-Band Dream Theater.

Die Produktion des Albums selber war zusätzlich mit vielen Spannungen versehen, da es zwischen der Band und den Produzenten einige Meinungsverschiedenheiten gab, die teilweise fast zum Rauswurf der Truppe aus den Studios geführt hätte. Vieles wurde gegen den Willen der Band durchgesetzt, was auch heute noch kritisch von den damaligen Mitgliedern bemängelt wird.
Zudem existierte vor der Veröffentlichung des Albums kein Band-Management und somit weder ein Tour-, noch ein Marketing-Konzept. Aus dieser Not heraus wurde ein Freund der Band mit dieser Aufgabe nur wenige Tage vor dem Release betraut.

Pull me under zog sie hoch

Natürlich war die Band nach der Fertigstellung stolz auf das, was sie trotzdem geschafft und zustande gebracht hatten. Aber durch die beschriebenen Umstände und den schleppenden Verkäufen des Vorgängers von Images and Words* lagen die Erwartungen der Truppe eher auf einem niedrigen Level.
Umso überraschender war es, als ausgerechnet der Opener Pull me under, der nicht unbedingt zu den Lieblingssongs der Band gehörte, plötzlich in den amerikanischen Radios in einer gefühlten Dauerschleife zu hören war und so den Weg in die Top-10 der Billboard-Charts gefunden hatte.
Dieser unerwartete Erfolg ermöglichte es der Band, vom klapperigen Lieferwagen in einen schicken Tourbus mit Fahrer umzusteigen, um damit nicht nur in Amerika, sondern auch in Europa und Japan von einer ausverkauften Konzerthalle zur nächsten zu fahren.

Pull me under ist ein Song, der recht typisch für diese Zeit war und fast schon etwas konservativ wirkte. Bezeichnend ist das unerwartete Ende, welches den drivegeladenen Song plötzlich abschneidet und beim ersten Hören des Albums besorgt nach einem Defekt in der heimischen Technik suchen lässt.

Diese Besorgnis wird aber schnell durch die anschließende Ballade Another Day aufgelöst. Zu diesem offensichtlich gewollt radiotauglichen Song hat der Gitarrist der Band John Petrucci eine sehr persönliche Bindung, da er hier die Krebsdiagnose seines Vaters verarbeitet. Zwischendurch darf sich der Saxophonist Jay Beckenstein (ich weiß nicht, ob er ahnt, für was sein Name in der deutschen Sprache teilweise verwendet wird) für ein paar Takte einbringen und mit seinem Sophran-Sax den leicht angekitschten Sound ergänzen.

Metalogressives Rumgejazze

Take the Time marschiert dafür direkt mal um so heftiger los. Hier zeigen die Jungs, wie progressives Songwriting mit einer gesunden Portion Metal und einer Prise Jazz aussieht.

Der daran anschließende Song Surrounded hingegen ist zwar auch flotter unterwegs, wirkt dabei aber etwas weichgespülter als Take the Time. Spaß macht er trotzdem.

Was nun folgt, lässt Fragen offen. Denn wer einen Song Metropolis – Part I: The Miracle and the Sleeper nennt, hat mit einem Song alleine normalerweise noch nicht alles gesagt. Die Antwort folgte übrigens erst im Jahr 1999 mit dem Konzept-Album Metropolis Pt. 2: Scenes from a Memory*. Wobei angemerkt sein sollte, dass sich der Gitarrist John Petrucci 1992 ursprünglich nur einen kleinen Spaß mit dem Titel erlaubt hatte. Eine Fortsetzung war eigentlich nicht geplant.

Bei diesem Song geht’s richtig zur Sache und verlangt dem Hörer echt was ab! Ein Taktwechsel und musikalischer Inhalt jagt den nächsten und es wird mit jeder Minute konfuser. Die konstante Steigerung der Dichte des Songs verwandelt sich immer stärker in eine wilde Achterbahnfahrt für die Ohren, bei der man irgendwann völlig die Orientierung verliert. Aber plötzlich findet sich alles wieder zusammen und wirkt mit einem Mal wie aus einem Guss. Songwriting der progressiven Art vom Feinsten! Aber Vorsicht: Knotengefahr für’s Gehirn!

Sonne, Glass Moon und Sterne

Weiter geht’s mit Unter the Glass Moon, der zwar auch nicht gerade kuschelig ist, aber deutlich weniger vertrackt als Metropolis – Part I. Höhepunkt ist dabei eindeutig John Petruccis grandioses Gitarrensolo.

Wer nun mal eine Pause braucht, soll sie mit Wait for Sleep bekommen, auch wenn sie nur kurz ist. Dieses nachdenklich machende Stück, welches maßgeblich vom damaligen Keyboarder der Band Kevin Moore geschrieben und geprägt wurde, bringt eine leicht schwermütige Stimmung mit sich, die aber auf ihre Art gleichzeitig das Gefühl vermittelt, dass alles gut ist.

Abgeschlossen wird die Platte mit Learning to Live, bei dem ganz klar der Endspurt hingelegt wird, der dabei mit über 10 Minuten nicht gerade kurz ist. Mehr als einmal denkt man, das Ende des Songs erreicht zu haben. Hat man aber nicht. Es geht immer weiter und weiter. Und das ist auch gut so! Denn hier zeigt die New Yorker Truppe ein letztes Mal, was man musikalisch so alles zaubern kann. Und wenn dann doch endlich das Ende erreicht ist, ist dieses genau so, wie es an dieser Stelle sein muss. Genial!

Every day sends future to past, every breath leaves me one less to my last.

Dream Theater – Pull me under

Die Songs sind ganz klar geprägt von der damaligen Zeit, die sehr viele Katzengenerationen von meiner lag. Dabei zeigen die nicht ganz untalentierten Musikanten zwischendurch ganz gerne mal, was man mit Instrumenten so alles machen kann, wenn man weiß, wie es geht. Dem einen oder anderen Hörer mag das vielleicht too much sein. Aber mal ganz ehrlich! Ist dieser polyrhythmisch durch die Songs getriebene Frickelkram nicht genau das, was der Fan vertrackter und progressiver Musik im Metal-Bereich hören und live auch sehen will? Ich für meinen Teil jedenfalls finde das großartig!

Ich muss zwar zugeben, dass mir die Stimme von James LaBrie zeitweise ein wenig in meinen spitzen Ohren wehtut, wenn er in den oberen Stimmbereichen unterwegs ist und etwas kreischig wird. Für mich liegen seine wahren Stärken in Balladen mit tieferen Stimmlagen. Aber im Verhältnis hat LaBrie ja nicht ganz so viel zu tun auf diesem Longplayer, da der Rest der Band halt auch eine Menge mit ihren Instrumenten zu sagen hat. Das passt dann schon. Da kann man dann auch schon mal über den etwas glattgebügelten und teilweise arg produziert klingenden Sound des Albums hinwegsehen.

Keine kleine Nachtmusik

Sicher ist, und das gilt auch für viele weitere Alben von Dream Theater, dass man diese Scheibe nicht mal kurz nebenbei hören sollte und mehr als einen Durchgang braucht, um sich mit dem Material vertraut zu machen.
Wer also die seichte Unterhaltungsmusik im Hintergrund sucht, wird mit Images and Words* garantiert nicht glücklich. Wer aber musikalisch immer wieder überrascht und gefordert werden will und sich gleichzeitig dafür interessiert, was man mit teurem Gitarren-, Bass- und Keyboard-Equipment und einem monstermäßig großen Schlagzeug so alles machen kann, hält mit dieser Scheibe quasi schwarzes Gold in den Händen. Und das ist nicht nur musikalisch, sondern auch finanziell gemeint. Die Preise für gut erhaltene Schallplatten liegen mittlerweile weit über den damaligen Neupreisen!

Und nicht vergessen: Musik ist ein Botschaft, die jeder anders versteht. Und eigentlich reicht es, wenn sie einfach nur schön ist!

Bock auf Teilen?

Für dich vielleicht ebenfalls interessant....

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert